Chigo

Die Nacht war dunkel und kalt. Ein weiterer Gewitter Sturm zog auf. Das Wetter ist in den letzten Jahren immer wilder geworden, denn die Energien der Welt sind aus den Fugen geraten. Diese hoch energetischen Gewitter kamen in den letzten Wochen wieder häufiger vor. Die Wellen der wilden Energie schlugen wieder höher und dabei hatten sich alle schon so sicher gefühlt.

 

Der schwarze Umhang schütze sie vor dem Regen und ließ sie mit dem dunklen Wald verschmelzen. Donner grummelte in der Ferne und kam schnell näher. Die Bäume knarzten in den scharfen Windböen des Sturms. Der Regen peitschte auf ihr Cape, ein dunkler Schatten, lautlos auf der Lauer. Die hohen und dichten Baumwipfel konnten den Regenmassen nichts entgegensetzten.

 

Das wird eine lange Nacht, flüsterte sie zu sich selbst. Sie war wie ein Raubtier auf der Jagd. Sie lauschte in den Sturm hinein, der Regen machte es ihr schwer zu sehen. Die ausgezeichneten Fuchsaugen ließen sie auch im dunkeln sehen, doch der Regen war heute zu dicht.

 

Ein Blitz schlug mit einem gewaltigen Krachen unweit der jungen Frau ein. Eine Explosion wehte ihr das Cape aus dem Gesicht, innerhalb weniger Momente waren ihre kupferfarbenen Haare und großen Fuchsohren mit Regen durchtränkt. Sie schlug die Arme schützend vor das Gesicht, der aufgewirbelte Dreck fielen neben ihr zu Boden. Die Gegenwart des Wesens fuhr ihr wie ein Blitz durch den Körper und kribbelte bis in die Fingerspitzen.

 

Ihre flinken Beine brachten sie schnell zur Stelle der Explosion, ein großer Satz und sie schlitterte auf den gespaltenen Baum zu. Ein kurzer Moment der Stille. Der Regen prasselte laut auf die trockenen Baumkronen des Waldes. Ihre Ohren zuckten unter dem ständigen Rascheln des trockenen Laubs. Ein lauter Donner zerriss das Prasseln, ein Blitz erhellte den Himmel doch das Licht drang nur spärlich bis zum Waldboden durch. Es reichte jedoch aus um ihr Umgebung für kurze Zeit zu erhellen, ihre Augen verengte sich zu schmalen Schlitzen.

 

Vor ihr glühte ein Körper auf. Ein leichter weißer Schein, er pulsierte in den auf- und abwallenden Energieströmen, die diese Kreatur geschaffen hatten. Es hatte den Körper eines sehr mageren Pferdes, unwirklich in die Länge gezogen. Beine bald doppelt so lang wie die eines normalen Pferdes, Augen schwarz wie die Nacht, statt Fell nur ein leichtes pulsierendes Leuchten nasser Haut. Die Augen den frisch geborenen Energiewesens schluckten jedes Licht, schwarze Löcher die einem die Seele aus dem Leib ziehen mochten.

 

Mit einer schnellen Handbewegung öffnete sie den Klettverschluss des Handschuhs ihrer rechten Hand, streifte ihn ab und verstaute ihn sicher. Er entblößte ihre Hand, menschlich aber mit messerscharfen Krallen an den Fingerspitzen. Eine hervorragende Waffe, mit der Neigung zur Selbstverletzung, nichts, was ein Handschuh nicht verhindern könnte.

 

Dieses Wesen aus wilder Energie war harmlos. Ein schneller Nahkampf stellte keine Gefahr für sie dar. Mit einer geschmeidigen Bewegung sprang sie auf das verzerrte Pferd zu. Das Wesen bäumte sich auf. Ein markerschütterndes, vielstimmiges Wiehern ließ sie einen Herzschlag aussetzen, als sich ihre rechte Hand in die Brust des Wesens bohrte. An der Stelle, wo normalerweise ein Herz sitzen würde ergriff sie einen weißen, pulsierenden Energiestrang, verfestigte die Energie ihrer Hand und riss ihn dem Wesen aus der Brust. In der selbe Bewegung schwang sie ihr Cape schützend vor das Gesicht.

 

Der Körper des leuchtenden Wesens löste sich mit einem gleißenden Blitz in Hitze auf. Für einen kurzen Augenblick kochte die Luft. Donner erschütterte den Wald. Wind und Regen trugen die Dampfschwaden der heißen Luft davon. 

 

Das Frau mit den Fuchsohren schwang sich in die Baumkronen und lauerte. Sie schloss die Augen, lauschte dem Prasseln und tastete die Umgebung mit ihren Sinnen ab. Jeder Blitzschlag könnte ein weiteres Wesen erschaffen. An sich waren sie harmlos, doch die hohen Energien von Städte und Menschenansammlungen zogen sie an. Ihre Aufgabe war es, das Labor vor den Angriffen zu schützen und alle Erscheinungen zu vernichten. Der Schutz des Labor und seiner Bewohner hatte die höchste Priorität, denn sie war die effektivste Waffe der Menschheit.

 

Das Gewitter war heftig, aber kurz. Es gab nichts mehr für sie zu tun. In der Ferne erhaschte sie die ersten Farben des neuen Tages. Mit lautlosen Sprüngen schwang sie sich von dem Baum und machten sich auf den Rückweg. Ihr Name war Chigo und sie war die letzte Wächterin der kalifornischen Nordküste.