Disclaimer:

Diese Geschichte habe ich für meinen Avatar-Charakter "Chigo" geschrieben. Das bedeutet diese Geschichte hat nichts mit mir als Person zu tun. Sie spiegelt mich als Person nicht im geringsten wider, weder von den persönlichen Gefühlen und Verbindungen zu den verschiedenen Personen der Geschichte, noch in den Entscheidungen die getroffen werden.

Also seht dies einfach als schöne Geschichte, die mit mir nichts zu tun hat :D


Sehen

 

„Kiana, so wie ich es gezeigt habe, auf 25% hochfahren“

„Ja.“ Kiana wollte energisch klingen, doch sie klang eher ängstlich. Sie tippte zögerlich auf ihre Konsole. Die Glasscheiben fuhren hoch und von unten füllte sich der Tank mit einer leicht bläulichen, zähen Flüssigkeit. Es stoppte auf Höhe Yuna's Waden, sie bewegte sich leicht. Das Gel war zäh, aber flüssiger als gedacht.

„Ganz warm.“ Yuna klang ganz aufgeregt.

„Verbindung in 3, 2, 1 erfolgreich.“ Hank schaute Kiana auf die Finger, er nickte anerkennend, er musste nicht eingreifen. Das Gel schien zu leuchten. Yuna atmete scharf ein, ihr blieb die Luft weg, sie beugte sich nach vorne und stützte sich am Glas der Röhre ab. Kiana stand auf und sah besorgt aus, doch Hank hielt sie zurück.

„Sieh nur.“ Er deutete auf Yunas Gesicht, sie hatte sich aufgerichtet und die Augen geöffnet. Sie sah Kiana an, direkt in die Augen. Die Stimmen aus dem Tank wurden über die kleinen Atemmasken abgefangen und durch Lautsprecher wiedergegeben. Sie konnten Lucifer zwar nicht sehen, doch sein leises Lachen hören.

Chigo und Jester tauschten erstaunte Blicke. Jetzt wurde es doch noch interessant.

„Yuna alles ok? Deine Herzfrequenz ist rapide gestiegen.“ Kiana versuchte nicht mehr ihre Besorgnis zu verstecken.

„Ich.. ich kann sehen, Kiana.“ Yuna klang euphorisch und Kiana klappte der Mund auf.

„Ihr seid alle so hell, ihr leuchtet.“ Yuna sah sich neugierig um, die Augen weit geöffnet, wie ein ganz normales Mädchen. Eher wie ein Kind, dass das erste mal die erstaunliche Welt vor sich sieht.

„Aber alles andere ist so… dunkel, ich kann nur euch sehen.“

„Je mehr Gel deinen Körper bedeckt, um so mehr wirst du sehen können, Yuna.“ Hank hatte die Arme verschränkt und grinste triumphierend.

„Ich will mehr sehen.“ Die Energien der Lebewesen strahlten hell um Yuna herum.

„Alles ok da drüben?“ Hank schaute um die Trennwand des Tanks zu Lucifer, er nickte.

„Ok, dann Erhöhung auf 50%.“ Das Gel stieg erneut an und stoppte auf Höhe der Taille. Yuna sah sich neugierig um, sie schien noch mehr wahrnehmen zu können.

„Ich kann nicht nur sehen, ich kann euch auch spüren. Kiana hab doch keine Angst, es geht mir gut.“ Sie lachte heiter, ihr schien es wirklich gut zu gehen. “Ich konnte vorher auch sehen, aber das hier ist anders. Vorher war es nur ein Gefühl, doch jetzt erkenne ich Formen, vielmehr ich erkenne alle Details. Kiana, Hank, Chigo und Jester, ich kann eure Gesichter sehen.“ Sie lachte vor Freude.

Yuna betrachtete alles genau. Ihre Freunde waren alle so hell und strahlten vor Lebensenergie, doch weiter hinten, dort wo sie nicht mehr sehen konnte, war es dunkel. Sie hatte sich noch nicht an diese Sicht gewöhnt und sie dachte sogar, die Schatten würden sich bewegen. Noch viel mehr, sie dachte sie würden flüstern, doch das waren nur die Luftblasen, die neben ihr aufstiegen.

„Wir sollten eine Pause einlegen.“ Lucifers Stimme klang ruhig und konzentriert. Kiana blickte zu ihm herüber, er sah ok aus. Doch der Blick, den er ihr zuwarf, war nicht ok.

„Ähm..ok ja, das waren für den Anfang doch sehr viele Eindrücke. Wir wollen es ja nicht gleich übertreiben“

“Ok.“ Hank klatschte in die Hände und redete auf Kiana ein.

„Hab nur ich hier ein ungutes Gefühl?“ sagte Chigo leise in Jesters Richtung.

„Hmm, hat man nicht immer ein ungutes Gefühl, wenn Lucifer involviert ist?“ Er blickte sie vielsagend an.

Das Gel wurde mit einem gluckern und surren abgepumpt und als es Yunas Knie unterschritten hatte, sackte sie zusammen. Kiana sprang auf, die Scheiben senkten sich und Kiana half ihr auf die Beine.

„Alles ok, Yuna?“ Sie sah sehr besorgt aus, doch Yuna's Gesicht strahlte unter einer glänzenden Schweißschicht. Ihr Atem ging schwer, sie hatte ihre Erschöpfung in ihrer Euphorie nicht gespürt. Lucifer hatte Recht gehabt.

Kiana half ihr aus dem Tank und Yuna stürzte sich freudig in ihre Arme, die beiden lachten vor Freude. Lucifer hingegen stieg unbeeindruckt aus seinem Teil der Röhre, sah Yuna nur flüchtig über die Schulter an und machte sich auf den Weg zur Umkleidekabine. Er hinterließ eine feuchte Gelspur auf dem Boden.

“Also soweit ich das verstanden habe, sind wir nun zu dritt, eine Aufklärungseinheit. Wir können euch also exakte Angaben über die Ziele geben, nicht nur wo sie sind, sondern auch wie groß und welche Intentionen sie haben, bevor wir sie angreifen. ” Kiana stocherte in ihrem Mittagessen. Die Kantine war voll um diese Tageszeit.

“Ich bin gespannt, wie uns das im echten Einsatz von Vorteil sein wird. Ich kann die Energiewesen auch spüren und die ungefähre Richtung lokalisieren. Sobald ich in die Nähe komme, zeigen sie sich meist eh schon. Aber wenn wir vorher bereits alle Informationen  aus der Entfernung haben, können wir uns sicherlich besser vorbereiten.” Chigo versuchte das Positive zu sehen, doch sie hatte immer noch ein ungutes Gefühl. Das wurde zusätzlich von Lucifer verstärkt. Seitdem sie gemeinsam zum Mittagessen ins Labor zurückgekehrt waren, hatte er Yuna nicht aus den Augen gelassen. Yuna stocherte abwesend in ihrem Salat, sie war in Gedanken vertieft. Chigo konnte es ihr nicht verübeln, sie hatte das erste mal in ihrem Leben Bilder gesehen. Für ein blind geborenes Mädchen sicherlich eine Revolution. Lucifer war einfach zu still. Er machte sich einen großen Spaß aus Provokation und Sticheleien, doch er hatte den ganzen Tag kaum ein Wort gesagt, das machte ihn verdächtig. Was hatte er vor?

 

Sie machten sich auf den Rückweg. Die Tische und Stühle der Kantine waren, wie alles im Labor, auf modern getrimmt. Große Kronleuchter hingen von den hohen Decken, geformt wie gläserne Wasserfälle. Jester führte die Gruppe an und tippte konzentriert auf seinem Tablet herum.

“Wie sieht es bei euch aus, ihr habt bis jetzt nur zugesehen?” Kiana und Chigo waren in ihr Gespräch vertieft.

“Jester und ich sollen noch die neuen Fahrzeuge inspizieren und bekommen noch ein paar Anweisungen. Ihr werdet also den Rest des Tages allein sein” erklärte Chigo. Lucifer nutzte die Gunst der Stunde und flüsterte Yuna etwas ins Ohr. Sie knetete nervös ihre Hände und schloss zu den anderen auf.

“Ok und noch mal. Yuna, konzentriere dich auf die nahe Umgebung, auch wenn du weiter sehen kannst, alles andere ist zu anstrengend momentan.” Kiana kontrollierte schon etwas routinierter die Anzeigen der Kontrollfläche. Das Raptide war an diesem Nachmittag fast leer und bot kaum Ablenkungen für Yuna's erweiterte Sinne.

“Ok, verstanden.” Jede Unsicherheit war aus Yuna's Stimme gewichen. Sie sprach fest und deutlich.

“Füllung auf 100%. Yuna, wie geht es dir?”

Yunas Haare schwebten um ihren Körper, sie war wie schwerelos. Sie war in einer völlig neuen Welt. Alles um sie herum war hell, sie konnte die Energien der ganzen Welt sehen. Sie fühlte sich wie ein Vogel im Himmel, konnte alles überblicken. Die Schatten, die sie vorher gesehen hatte, waren hinter den hellen Punkten der Lebewesen verschwunden. Die wenigen schwarzen Stellen waren lediglich die dicken Betonmauern des Labors. Diese leblose und kalte Stelle zerschnitt ihre Sicht und lage wie ein schwarzer Würfel neben ihr.

“Es geht mir gut, es ist nur so viel auf einmal. All die Wesen und was sie fühlen, es ist erstaunlich. Die Bewohner der Erde sind alle so wunderschön.” Yuna kam aus dem Schwärmen garnicht mehr heraus.

“Halte noch ein bisschen durch, du bist schon sehr erschöpft, auch wenn du es nicht spürst. Wir sollten es am ersten Tag nicht gleich übertreiben.”

“Ich bin nicht erschöpft.” Die Bestimmtheit in Yunas Stimme überraschte Kiana. Sie war sonst immer so leise und zurückhaltend, aber jetzt war sie wie ausgewechselt. Vielleicht war das genau ihre Bestimmung. Das blinde Mädchen wird zum sehenden Radar für ein ganzes Team. Kiana lächelte, sie war so stolz auf sie.

Als sich damals die Wogen geglättet hatten und alle ihren eigenen Weg eingeschlagen haben, wollte Yuna nicht zurück. Der alte Tempel in den tiefen, japanischen Wäldern war ihr Zuhause, doch nun hatte sie die Moderne kennen gelernt und wollte mehr erleben. Sie schloss sich Kiana an, zusammen leisteten sie Aufklärungsarbeiten im zerstörten Honolulu. 

“Übertreib es nicht.”

“Was war das?” Chigo und Jester standen in einem der äußeren Kontrollräume des Hangars, einige Meter über der Hangar Ebene. Das große Panoramafenster gab den Blick über den gesamten Hangar frei. Es war dunkel und nur noch die Steuerkonsolen um den großen Tank leuchteten hell. Die drei arbeiteten unermüdlich an ihrem Zusammenspiel, unter den strengen Blicken Hanks. Jester schaute nun auch auf die Truppe herab. 

“Ich habs auch gemerkt. Soll es ein Gewitter geben?”

Der junge Mann, der Chigo und Jester schon seit gut einer Stunde die Sicherheitsprotokolle für zukünftige Einsätze erklärt hatte, legte seine Unterlagen auf den Tisch und erwiderte: “Nein Sir, der Himmel ist klar draußen und es soll die nächsten Tage ruhig bleiben.” Er trug sein Haar kurz und man konnte ihm ansehen, wie unangenehm ihm der Umgang mit den beiden Ley-Kindern war.. Es musste für normale Menschen sicherlich beängstigend sein, allein in einem Raum mit einem Mensch-Fuchs Halbwesen und einem gehörnten 2 Meter Mann zu sein.